Anhaltender Lockdown

Liebe Freunde,

Schon mehr als zwei Monate ist es her, seitdem wir an dieser Stelle ein „Lebenszeichen“ aus Kenia vermeldet haben. Damals befand man sich in der 6. Woche des Lockdowns. Ihr könnt also ausrechnen, wie viel Zeit nun schon seit Beginn der Isolation vergangen ist…! Ein Ende des Lockdowns ist bis heute noch nicht wirklich in Sichtweite. Doch Barbara und die Kinder meistern die Situation nach wie unglaublich gut. Immer wieder neue Ideen sind gefragt und werden auch umgesetzt, um den drohenden „Lager-Koller“ zu vermeiden, oder zumindest in Grenzen zu halten.

Ein paar dieser Ideen haben wir mittlerweile als Bildbeweise übermittelt bekommen. 🙂 Da wird gelernt, gebacken, geputzt, geturnt, gespielt und gegärtnert was das Zeug hält! Insbesondere die letztgenannte Tätigkeit hat bereits grossartige Resultate hervorgebracht, wir sind sehr gespannt auf die ersten Ernteerfolge!

Von Viren und anderen Katastrophen – ein aktueller Bericht aus Ngong

Liebe Freunde,

Vor ein paar Tagen haben wir von Barbara einen Zusammenschnitt aus dem aktuellen Alltag in Ngong erhalten. Wir wissen nicht genau, wann Barbara die Zeit gefunden hat, ihn zu schreiben, aber irgendwie hat sie es geschafft. Ihn zu lesen, ist gleichzeitig spannend, amüsant, tragisch und fesselnd. Der Bericht zeigt in vielen Facetten, wie unberechenbar das Leben und die Natur manchmal sein können. Wir können aus der Ferne nur staunen, wie gut die Situation in unserem Haus aktuell gemeistert wird, ein grosser Verdienst von dir, Barbara:

 

„Wir sind nun in der sechsten Woche im Lockdown. Es ist sicherlich anstrengend alles unter einen Hut zu bekommen, aber wir haben nach wie vor viel Spass.

Die grösste Herausforderungen ist der Schulbetrieb. Acht Klassen zu betreiben braucht eine äusserst gute Planung und noch mehr Kontrolle. Dank des Weihnachtsgeschenks, dem Smart TV, kann ich den Unterricht so gestalten, dass die unteren Klassen zwei Stunden am Morgen mit Hilfe von Education TV gut und interaktiv beschäftigt sind. Diana hat Classroom Meet, live Lektionen und sitzt vor meinem iPad, zu ganz normalen Schulstunden im virtuellen Klassenzimmer.
Mit Kiptoo ist es am schwierigsten. Sie ist zwar in der sechsten Klasse, aber ihr Wissensstand ist maximal dem eines Dritt-Klässlers. Ein Beispiel: Sie brauchte eine Woche, bis die Dreier-Reihe fehlerlos sass… und das ist nur Mathematik. Damit ihr Frust-Level nicht noch mehr ansteigt, setze ich sie oft mit in die zweite und dritte Klasse und beauftrage sie, mir mit den Kleineren lernen zu helfen. Ich habe gemerkt, dass sie da platziert am meisten profitieren kann.
Enock, Alice und Amos müssen sehr selbstständig arbeiten. Am Ende des Tages mache ich lediglich ein Quiz mit ihnen und kontrolliere damit, ob der Stoff im Prinzip verstanden wurde.
Auch neu ist, dass es kein Unterhaltungs-Fernsehprogramm mehr gibt, ausser Freitags und Samstags. An allen anderen Tagen machen wir, in Gruppen aufgeteilt, Wissens- und Gesellschaftsspiele oder die Kinder gehen nach dem Abendessen in die Zimmer um zu lesen. Am Anfang war es schwierig, die Kinder dazu zu motivieren. Mittlerweile kommen sie angerannt und wollen Lesematerial-Nachschub, welcher bald ausgeht.
Kiptoo ist nicht nur akademisch mein “Sorgenkind “ – Letzte Woche kamen ihre Laborwerte zurück und die sind das erste mal in vier Jahren schlecht. Während diesen letzten vier Jahren hatte sie eine unmessbare HI-Viruslast, jetzt liegt die Viruslast bei 20,000 Kopien/ml, trotz der auf die Minute genau eingenommenen antiretroviralen Medikamente.
Am 24.04. müsste sie zum erneuten Labortest in die Klinik. Ich bin absolut nicht erfreut über diesen Arztbesuch. Oft stehen wir da zwei Stunden mit ca 100 weiteren Patienten an. Nach einer fast sechs wöchigen, lückenloser Quarantäne versuche ich diesen Termin abzuwenden und einen Laboranten dazu zu bringen, ihr bei uns zu Hause Blut zu entnehmen. Ich bin bereit, dieser Person die Mehrkosten zu bezahlen, wenn wir bloss nicht in die Klinik gehen müssen!

Nebst Covid-19 haben wir noch eine weitere Naturkatastrophe, die uns seit gut 10 Tagen zu schaffen macht… Die Heuschreckenplage ist in Ngong angekommen. Unzählige dieser Insekten verwüsten unseren Garten und was natürlich noch viel schlimmer ist, die ganze Ernte der umliegenden Bauern.
Meine kleinen Jungs machten sich diese Insekten zum neuen Hobby. Zweimal täglich jagen sie mit Eimern ausgerüstet nach den Heuschrecken, reissen ihnen die Beine ab… füllen die Eimer mit diesen schrecklichen Dingern und verfüttern sie an die Hühner. Auch Ruby fand gefallen an dieser neuen Beschäftigung, auch sie jagt den Heuschrecken nach, fängt sie, spuckt sie aus, die Jungs sammeln diese wiederum ein. Fazit: Seit 10 Tagen legen unsere Hühner mehr Eier denn je. Die zusätzlichen Proteine scheinen pures Kraftfutter zu sein.

Susu, unsere Katze, hatte ebenfalls ein neues Hobby. Der Kater schlich sich täglich ins Hühner-Gehege und jagte erfolgreich nach Ratten. Bei der wohl letzten Jagd bekam sie es mit einer aggressiven Rattenmutter zu tun. Diese verteidigte ihre ca. acht Jungen, Susu erlegte eines nach dem anderen, dann versuchte sie sich an dem Muttertier und diese bat ihr Paroli. Susu gewann zwar den Kampf, kam aber mit drei mega Wunden zurück ins Haus. Wir desinfizierten seine Bisswunden mit Betadine. Seither geht er nicht mal mehr in die Nähe des Hühnergeheges. Seine sehr kurze Leidenschaft wurde ihm wohl zum Alptraum. Ratten sehen wir jedoch keine mehr.
Apropos Wunden behandeln… wir sind auch ein Klein-Krankenhaus geworden. Mit Hilfe von YouTube und Gesundheit-Ratgebern im Internet verarzteten wir eine Wunde, die ich unter normalen Umständen hätte nähen lassen, eine Muskelzerrung, die sich Cynthia bei unseren täglichen sportlichen Aktivitäten zuzog, eine Schramme an Veronicah’s Kopf (sie rannte in die Kante eines offen stehenden Fensters), ein entzündetes Ohr von Allan, eine aufgeschlagene Zehe von Charles und sonst noch ein paar Kleinigkeiten die ich schon wieder vergessen habe. Ach ja, da war noch die Prügelei zwischen Allan und Ricky. Die daraus resultierende Strafe wurde vorgestern, nach 10 Tagen, erfolgreich beendet.
Höchststrafe gibt’s im Moment für das Klettern auf Bäume. Ich möchte in der momentanen Situation einfach nicht einen Sturz aus diesen Höhen riskieren. Die Jungs meinten ich sei echt gemein, dies zu verbieten. Nun ja, mit dem kann ich leben…
Enock (zusammen mit YouTube ) half mir vergangene Woche beim Reparieren eines Wasserhahns und einer kleinen Reparatur am Elektrozaun. Wir schnitten die Bäume und Büsche zurück, zogen lockere Schrauben an und backen jeden Tag aus 3kg Mehl Brot.

Am 19.04. holte ich Ian, Felix, Maggie, Brenda, Brenda und Griffin nach Hause. Linda und Jacob mussten am Montag, nach zwei Wochen Homeoffice, zurück ins Büro.
Sie gehen mit dem lokalen Bus, dem Matatu, zur Arbeit. Das Risiko ist mir zu gross 1.) die Kids alleine zuhause zu wissen, 2.) einer Ansteckung des Corona Virus.
Aus diesem Grund habe ich die Wohnsituation umgestellt. Der untere Teil rechts, der Bubentrakt, wurde zur Quarantäne. Ian und Felix wohnen für 14 Tage im hintersten Zimmer, die Mädels im vorderen Zimmer der Bubenseite. Meine anderen Jungs, die ausziehen mussten, sind im Njenga/Hannah Zimmer untergebracht, die 3 kleinen Strolche bei Aunty Jemima, Hannah bei Faith, Veronicah und Virginia.
Der Durchgang vom Wohnzimmer zu der Bubenseite ist verbarrikadiert, die sechs frisch Eingezogenen benützen den rechten Eingang um in den Garten zu gelangen, um draussen essen zu gehen, wenn es nicht regnet… und es regnet eigentlich meistens.
Sie haben keinen Zutritt zur Aussendusche, Aussentoilette, Küche, Wohnzimmer, den Schlafräumen im Erdgeschoss und zum Obergeschoss. Heute, am dritten Tag, muss ich sagen, es funktioniert sehr gut. In Absprache mit mir dürfen sie abwechselnd in den Garten, wenn von uns anderen 19 keiner im Garten ist. Wir werden diese Vorsichtsmassnahmen noch weitere 12 Tage beibehalten.
Das online Shopping funktioniert nur mässig. Gestern zum Beispiel habe ich fünf Kilo Tomaten und ein Stück Ginger bestellt. Es kam ein Kilo Tomaten und fünf Kilo Ginger. Dann hat’s halt Ginger Reis mit ein bisschen Tomate gegeben. Ich nimm’s mit Humor.
Unser Vorratsraum ist nach wie vor gut gefüllt. Es ist etwas eintöniger geworden (oder vielleicht kommt es mir nach sechs Wochen daheim auch nur so vor), es gibt mindestens  sechs mal die Woche Ugali. Fleisch kaum mehr, ich wüsste nicht, wo bestellen. Und da ich nicht mehr raus gehe um einzukaufen, ist Carrefour keine Option mehr.
Der Lockdown soll noch mindestens zwei Wochen anhalten, wobei die Restriktionen immer strenger werden. Nun ist im Gespräch, ob Alkohol verboten werden sollte. Aber dies ist für uns zum Glück kein Thema.“

Corona beschäftigt uns auch in Kenia – Artikel in der NFZ

Liebe Freunde,

In dieser Zeit, wo wir uns alle mit der speziellen Situation langsam arrangiert haben, schauen wir gespannt und nicht ohne Sorgen nach Kenia. Auch dort ist das Virus längst angekommen und sorgt für Zustände, die das anfängliche Fehlen von Toilettenpapier in unseren Läden etwas anders aussehen lässt. Barbara wird uns hier in Kürze mit einem Bericht über den aktuellen Alltag und die Situation in Ngong informieren.

In der Zwischenzeit ist in der Neuen Fricktaler Zeitung ein grosser Bericht über unser Haus publiziert worden, den wir euch an dieser Stelle ebenfalls zeigen möchten. Ein herzliches Dankeschön für die Verfassung geht wie immer an Hans Zemp! Viel Spass beim Lesen!

 

Corona ist auch in Kenia ein Problem

Viel Freude im Kinderheim in Ngong

Momentan hält das Corona-Virus das Kinderheim Youth for Hope in Nairobi ebenfalls stark in Atem. Daneben erfreut man sich aber vieler Erfolge, man versucht, die Zeit ohne auswärtigen Schulbesuch sinnvoll zu gestalten.

Das Kinderheim des Zeininger Vereins Youth for Hope in Ngong hat in der Zwischenzeit strenge Vorkehrungen gegen die mögliche Ansteckung mit dem Corona-Virus getroffen. Wie der eben mit dem letzten noch möglichen Direktflug zurückgekehrte Zeininger Othmar Hürbin, die Kinder nennen ihn dort Uncle Uncle, berichtet, hat man die Corona-Pandemie sehr früh ernst genommen. Die Kinder wurden darum bereits drei Tage vor der durch die Regierung verordneten Schliessung der Schulen daheim behalten und nicht mehr hingeschickt. Die Schulen waren zu diesem Zeitpunkt noch anderer Meinung als die Verantwortlichen im Kinderheim. Vielleicht sind diese frühzeitigen Massnahmen der Grund dafür, dass im Kinderheim noch keine Ansteckungen zu verzeichnen sind.

Es war aber von Beginn weg klar, dass die Tage auch ohne auswärtigen Schulbesuch Struktur haben mussten. Die eigenen Ressourcen werden darum genutzt. Momentan warten vier Mädchen auf den Übertritt in die High-School.  Diese vier jungen Damen arbeiten nun als Lehrerinnen und bringen den Kleineren mit Homeschooling Schulstoff bei. In kleinen Gruppen wird am Morgen drei und am Nachmittag drei Stunden unterrichtet. Man pflegt also eine Top-Struktur. Man hat intern auch eine Ausgangssperre verfügt. Nur Einzelpersonen dürfen Medikamente und Essen besorgen gehen. Das Vorratslager ist aber prächtig angereichert und man wird in allernächster Zeit keinen Hunger leiden müssen.

Generationenwechsel im Kinderheim

Das Durchschnittsalter der Kinder im Kinderheim hat sich wieder gesenkt. Vier junge Leute haben ihre Ausbildung abgeschlossen und verdienen ihr Brot nun selber. Jacob, einer von ihnen, hat in einem Call-Center eine führende Stelle bekommen und konnte so seinen beiden ehemaligen Mitbewohnerinnen Wilkister und Lyndah im gleichen Betrieb eine Stelle und damit die Grundlage für ein eigenständiges Leben verschaffen. Joyce, eine weitere junge Dame arbeitet in einer Lodge. Sie alle können nun für sich selber sorgen. Unterdessen sind vier Kleine ins Heim eingezogen und wohnen zusammen mit der bestehenden Kinderschar. Sie alle fühlen sich sichtbar wohl.

Das Leiterteam sorgt bei allen ausgebildeten jungen Leuten von Youth for Hope dafür, dass ein Job gefunden werden kann. Dies in einem Land mit sehr grosser Arbeitslosigkeit. Diese Hilfe stellt sie auf eigene Beine und ist nachhaltig. Der Kontakt zum Kinderheim reisst auch nach dem Wegzug nicht ab und bleibt warm. Der Sonntag ist jeweils der „eigentliche Besuchstag“. Momentan geht das allerdings wegen der Corona-Krise nicht. Die Ehemalige, Wilkister ist anfangs Jahr Mutter geworden. Weil sie sich vor der Pandemie fürchtet, hat sie mit ihrem Sohn Serani im Kinderheim unter strengen Auflagen Aufnahme gefunden. Es gibt also nur „einmal Eingang“. Das heisst, wenn sie das Haus verlässt, beendet sie damit ihr Asyl für sich und ihr Baby.

Es gibt immer wieder viel zu tun

Othmar Hürbin bekräftigt, dass das Haus gut gebaut ist, dass aber gewisse Details etwas „afrikanisch“ gefertigt sind. Darum ist es ein Vorteil, dass einige Leute im Vorstand grosses Flair für das Handwerk haben. Reparatur- und Unterhaltsbesuche lassen so Mängel beheben. So waren diesmal Etagenbetten oben nachzubessern, weil ein Kind in einer Nacht heruntergefallen ist und an diesem Sturz doch einige Tage zu beissen hatte. Zehn Hochbetten sind darum nachgebessert worden. Im Office sorgen unterdessen neue Regale für das ordentliche Ablegen der Akten und Unterlagen. Aber auch die Werkstatt im „Rotarierraum“ gleicht immer mehr derjenigen in der Schweiz. So ist es auch möglich, anfallende Arbeiten zufriedenstellend zu erledigen. Die Rüstbretter von Hausmutter Josefine waren zuunterst im Kasten aus Belüftungsgründen nicht ideal gelagert. Heute passt das aber, weil sie im Gestell an der Wand trocknen können.

Mit einer richtigen und von allen heiss geliebten Schweizer Rösti mit Speck und Zwiebeln verabschiedete sich Othmar Hürbin diesmal in Ngong.

     

Diana Kalekye

Diana kämpfte seit vielen Jahren mit verschiedensten medizinischen Problemen.  Zum Schluss war ihr Herz so schwach, dass sie nur noch mit Rollstuhl mobil war. Sie hat lange gekämpft, nun aber hat die Kraft nicht mehr gereicht.
Am 21.3.2020 um 01:22 Uhr hörte ihr Herz auf zu schlagen, umgeben von den Menschen die sie liebte, in ihrem Bett zuhause bei uns. 

Diana liebte Musik, sämtliche Songs ihrer Lieblings-Sängerin CardiB ratterte sie wann immer sich eine Gelegenheit bat, auf und ab, so dass sie bei uns im Haus dann auch bald den Spitznamen CardiB verleiht bekam.

Papapa’s Meatballs war ihre Leibspeise.
Trotz vieler krankheitsbedingter Absenzen schloss Diana im Oktober 2019 die Primarschule mit guter Note ab.

Ihr Lachen wird uns auf ewig fehlen.

Besuchsbericht von Markus Freudiger

Letzten November war Markus Freudiger zusammen mit Hans und Othmar für 14 Tage in Ngong und hat seine Eindrücke und Erlebnisse in einem Besuchsbericht zusammengefasst. Der Bericht ist sehr gelungen und macht mit zahlreichen tollen Bildern beste Werbung für unser Kinderheim und Kenia generell! Viel Spass beim Lesen an euch alle und besten Dank für den Bericht, Markus!

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